1.) Wo stehen wir?
Digitalisierung ist in aller Munde. In den Koalitionsverträgen in Bund und Land wird dem Thema
umfangreich Platz eingeräumt und es werden weitgehende Versprechungen gemacht. So
verspricht der Bund bis 2025 einen flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen zu erreichen,
„möglichst direkt bis zum Haus“, Schulen und Krankenhäuser u.a. sogar bis 2021. Der öffentliche
Bedarf dafür wird auf 2,5 – 3 Mrd. Euro pro Jahr angegeben. Mit 5 Mrd. Euro soll mittels des
„Digitalpakt#D“ u.a. eine flächendeckende digitale Ausstattung der Schulen erreicht, eine
nationale Bildungsplattform geschaffen und regionale Kompetenzzentren etabliert werden. Das
aber funktioniert erst nach einer Grundgesetzänderung. Angekündigt werden des Weiteren neue
Instrumente zur Förderung von Sprunginformationen und des Wissentransfers in die Wirtschaft.
Auch soll eine nationale Weiterbildungsstrategie für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende
entwickelt und Bürgern über ein digitales Portal mobilen Zugang zu allen
Verwaltungsdienstleistungen ermöglicht werden. Dafür werden 500 Mio. Euro zur Verfügung
gestellt. Darüber hinaus will sich die Bundesregierung für eine innovationsfreundliche
Anwendung der EU-Datenschutzgrundverordnung einsetzen.
Im Schleswig-Holsteinischen Koalitionsvertrag kommt die Digitalisierung erst an letzter Stelle.
Dafür wird angekündigt, das Land zu einer „digitalen Vorzeigeregion“ zu machen. Zu diesem
Zweck wird ein Digitalisierungskabinett unter Leitung des Ministerpräsidenten eingerichtet. Auch
SH will den flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2025 „weitgehend abschließen“ und dafür
„deutlich mehr Landesmittel investieren“. Schleswig-Holstein soll „zu einem Pionierland guter
digitaler Verwaltung“ gemacht werden, wozu die Möglichkeiten eines zentralen Einstiegsportals
geprüft wird. In der Bildungspolitik wird auf eigene Modellprojekte und Strategien auf Grundlage
der KMK-Strategie „Bildung in einer digitalen Welt“ gesetzt und eine Kofinanzierung
zugesichert. Für die Wirtschaft soll eine „Landesstrategie Digitale Wirtschaft“ entwickelt werden.
Der Status Quo der Digitalisierung in Deutschland ist – entgegen all der vollmündigen
Ankündigungen – noch immer auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Im Dezember 2017
betrug der Glasfaseranteil an den Breitbandanschlüssen gerade einmal 2,8 %. Der EU-Schnitt liegt
bei 13,8 %, der OECD-Durchschnitt gar bei 23,3 %. Länder wie Schweden und Lettland kommen
auf über 60 %, Japan und Südkorea gar auf über 70 %.
Die Kosten eines flächendeckenden Ausbaues in Deutschland schätzte die Telekom 2016 auf
80 Mrd. Euro. Auch das deutsche Mobilfunknetz erweist sich als überaus löcherig. Eine
Untersuchung des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hat aktuell allein für dieses
Bundesland fast 4000 Funklöcher identifiziert. Nicht besser sieht die Versorgung der Schulen,
Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen aus. Nach einer aktuellen Studie der GEW sind
insbesondere die Lehrer der allgemeinbildenden Schulen unzufrieden. 67 % der Befragten sehen
Defizite in Wartung und Betreuung, 65 % in der WLAN-Verfügbarkeit und 61 % in der
Bereitstellung von Geräten. In Schleswig-Holstein ergab eine Umfrage des IQSH 2016, dass nur
29,7 % aller Schulen über einen schnellen Internetanschluss mit über 50 Mbit/s und nur 12,3 %
über Glasfaseranschluss verfügen. 143,2 Schüler teilen sich statistisch ein Tablet, 68,4 Schüler
einen Laptop und 13,7 Schüler einen stationären Rechner. 54,9 % der Schulen haben lediglich in
einem Computerraum Endgeräte für den Unterricht. Trotz hoher Verfügbarkeit privater
Smartphones nutzen 57,9 % der Schüler diese nie im Unterricht.
Auch in der mittelständischen Wirtschaft ist das Thema Digitalisierung bisher nur teilweise
angekommen. Nach einer aktuellen Studie der IUBH „Digitalisierung im Mittelstand 2018“ haben
immer noch 25 % der Betriebe keinerlei unternehmensweite Digitalisierungsstrategie und sogar
28,9 % gaben an, noch immer eine „Null-Fehler-Strategie“ zu verfolgen. Zu den Schwierigkeiten
wurde mit 34 % am häufigsten die Unsicherheit über den Nutzen der Digitalisierung genannt.
Immerhin suchen 45 % der Unternehmen aktiv nach Mitarbeitern für den Digitalisierungsprozess.
Unterdessen steigt die Zahl der Nutzer von digitalen Nachrichtendiensten und Social-Media-
Kanälen unaufhörlich weiter. Inzwischen nutzen 40 Mio. Menschen in Deutschland WhatsApp,
28 Mio. Facebook, 21 Millionen davon täglich. Hinzu kommen 17 Mio. Deutsche bei Instagram
(3,7 Mio. täglich) sowie 12 Mio. auf Twitter und 5 Mio. bei SnapChat.
2.) Ausbau der digitalen Infrastruktur
Jahrelang haben Bund und Länder mittels eines von Brüssel genehmigten Finanzierungsrahmens
die Finanzierungslücken („Wirtschaftlichkeitslücken“) der hiesigen Breitbandunternehmen
(Deutschen Telekom, Kabel Deutschland etc.) beim Ausbau einer Infrastruktur zu schließen
versucht, um eine flächendeckende Versorgung zu erreichen. Fatal wirkte dabei, dass lange auch
die Versorgung mit Kupferleitung und Vectoring gefördert wurden.
Dies führte dazu, dass die Anbieter auf eine veraltete Technik zurückgriffen und gleichzeitig mit
dem „Rosinenpicken“ begannen, also schnelles Internet nur dort auszubauen, wo sich die
Investitionen am schnellsten amortisierten. Zurück blieben zumeist die Kommunen unter 10.000
Einwohner im ländlichen Raum. Hinzu kam, dass gerade dort Umfragen nur eine geringe Quote
von Anschlusswilligen ergaben, die bereit waren, vierstellige Summen für einen Anschluss zu
bezahlen.
Da für diese Gemeinden eine wirtschaftliche Marktlösung aufgrund der hohen
Infrastrukturerschließungskosten nie in Sicht war, sind viele dazu übergangen, sich in
kommunalen Zweckverbänden zusammenzuschließen und die Infrastrukturkosten in Form von
Leerrohrverlegungen selbst zu tragen, um anschließend diese Rohre an die Breitbandanbieter zum
Netzbetrieb zu verpachten. Immer wieder wurden jedoch solche Lösungen von den
Breitbandanbietern dadurch verhindert, dass diese sich die Gemeinden mit größtem
Renditepotential durch Angebote herausbrachen und damit eine Zweckverbandslösung
unwirtschaftlich machten.
Fehlallokationen bei der Förderung, hohe Renditeerwartungen der Wirtschaftsunternehmen und
ein geringes Interesse der Endkunden im ländlichen Raum haben demnach bis heute einen
flächendeckenden Ausbau verhindert.
Daher muss jetzt dringend ein anderer Lösungsweg beschritten werden:
Die CDU im Kreis Pinneberg fordert Land und Bund auf,
- noch in dieser Wahlperiode einen Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Glasfaseranschluss in Form einer kommunalen Daseinsvorsorge ab 2025 zu schaffen, wobei Städte und Gemeinden zum Zweck einer wirtschaftlichen Umsetzung gehalten sind, diese Aufgabe durch die Kreise oder Ämter zu koordinieren und die Infrastrukturmaßnahmen ausschreiben zu lassen,
- sich zu verpflichten, die entstehenden Infrastrukturkosten durch Steuerzuweisung eines erhöhten gemeindlichen Einkommensteueranteils auszugleichen. Die Verteilung sollte sich anhand eines Schlüssels vollziehen, der die Anzahl der noch an das Glasfasernetz anzuschließenden Haushalte berücksichtigt,
- Einfluss auf die Beseitigung der massenhaft vorhandenen Funklöcher zu nehmen.
3.) Digitalisiertes Lernen
Die Digitalisierung der Bildung beginnt nicht in den Schulen und Bildungseinrichtungen, sondern
bereits mit den didaktischen Methoden und Inhalten der Lehrerausbildung. Die beste
Breitbandanbindung und die modernste Ausstattung wird einer Schule nichts nützen, wenn das
Lehrpersonal dieses nicht im Unterricht einzusetzen weiß.
Wir fordern darum das Land auf,
- den Einsatz digitaler Medien in der Lehrerausbildung zu erhöhen,
- die Lehrerfortbildung in der Anwendung digitaler Lehrmittel zu verstärken,
- Lehrstühle für digitales Lernen an den erziehungswissenschaftlichen Fakultäten einzurichten,
- neue Unterrichtskonzepte mit mobilen, digitalen Kommunikationstechnologien zu entwickeln,
- E-Learning als festen Bestandteil in jedes Unterrichtsfach zu implementieren.
Land und Bund gemeinsam fordern wir auf, in den Schulen eine digitale Grundausstattung so weit
zu gewährleisten, dass bis 2021 jeder Schüler einer weiterführenden Schule über ein Tablet
verfügt und in jedem Klassenraum ein Smart-Board oder Beamer steht. Eine dafür notwendige
und vorbereitete Grundgesetzänderung muss nun schleunigst verabschiedet werden.
4.) Wissensvermittlung in einer digitalen Welt
Fake News sind keine Erfindung digitaler Nachrichtenübermittlung oder sozialer Netzwerke, sie
verbreiten sich aber über die neuen Medien um ein Vielfaches schneller und können somit
demokratie-gefährdende Wirkung entfalten. Ob durch russische Medien, links- und rechtsradikale
Netzwerke oder einfach nur Verschwörungstheoretiker, im Internet kursieren unzählige Seiten mit
Lügen, Falschmeldungen, Halbwahrheiten, nachträglich veränderten Fotos und aus dem
Zusammenhang gerissenen Zitaten.
Aber auch Qualitätsmedien stehen heute unter enormem Zeit- und Kostendruck, beschäftigen
daher zur Pflege der sozialen Netzwerke auch nicht-journalistisch ausgebildete Mitarbeiter und
übernehmen, auch für manche Schlagzeilengewinnung, ohne weitere Recherchen Informationen
aus dem Netz.
Beispielhaft für die panikartige Verbreitung von Falschmeldungen ist die Informationslage nach
dem Amoklauf in München vom 22. Juli 2016. Der Amoklauf begann im Olympia-
Einkaufzentrum um 17:51 Uhr und wurde um 20:30 Uhr 200 Meter entfernt durch den Suizid des
Täters beendet.
Obwohl also der Amoklauf um 20:30 Uhr beendet war, gingen noch bis Mitternacht 4310 Notrufe
bei der Polizei ein, es wurden 64 weitere Schießereien und zwei Geiselnahmen über ganz
München verteilt gemeldet sowie zahlreiche Fotos in den Netzwerken veröffentlicht, die sich
allesamt als falsch herausstellten. In einer offiziellen Stellungnahme um 21:18 Uhr ging die
Polizei daher jedoch von drei Tätern aus, was die Spekulationen weiter anheizte. Aufgrund der
Informationslage waren 2300 Einsatzkräfte unter ihnen die GSG9 und das österreichische Spezial-
Einsatzkommando „Cobra“ bis 1:26 Uhr im Einsatz. Erst dann gab es Entwarnung.
Von 19:23 Uhr bis 22:45 Uhr berichtete die ARD live und verbreitete so eine Vielzahl der über
digitale Kanäle gestreuten Falschmeldungen weiter.
Dem Ermitteln einer Informationsquelle und der Bewertung von deren Seriosität durch die
Medien und Nutzer kommt damit eine gesteigerte Notwendigkeit zu. Quellenrecherche, das
Hinterfragen von digitalen Informationen, Skepsis gegenüber allen emotionsbehafteten
Nachrichten und ein zeitlicher Abstand zur Weiterverbreitung digitaler Inhalte müssen den
Menschen in einem digitalen Zeitalter erst beigebracht werden. Hieraus ergibt sich die
Notwendigkeit, dass die jungen Menschen für die Gefahren sensibilisiert werden, die sich aus
dem unkritischen Umgang mit öffentlichen Informationen ergeben. Elternhaus und Schule müssen
versuchen, ihren Kindern und Schülern kritisches Bewusstsein anzuerziehen, und zwar sowohl
den Medien als auch sich selbst und ihren Gefühlen gegenüber.
Wir fordern darum das Land auf:
- digitale Medienkompetenz, das kritische Infragestellen von Quellen und die Quellenrecherche zum verpflichtenden Lerninhalt an unseren Schulen zu machen,
- auch dafür das notwendige Lehrpersonal aus- und fortzubilden.
5.) Digitale Transformation des Mittelstandes
Das digitale Zeitalter wird von Unternehmen geprägt, die sich das Nutzen von Big Data, also das
Sammeln und Auswerten von Daten, die Zielgruppenanalyse und das daraus resultierende
zielgruppenorientierte Angebot zu eigen gemacht haben.
Facebook, Google, Amazon, Twitter, Instagram, Alibaba – sie alle sammeln unsere Daten, um
diese zur Erweiterung ihres Geschäftsmodells und ihrer Produktangebote zu nutzen. Ob und
inwieweit sich diese Unternehmen an europäisches Datenschutzrecht halten, lässt sich nur
schwierig ermitteln. Steuern zahlen sie in Europa kaum.
Der deutsche und europäische Mittelstand unterliegt dagegen vollumfänglich der weltweit
einmalig strengen EU-Datenschutzgrundverordnung, die sich zudem zum Bürokratiemonster
entwickelt hat, auch für Vereine und Verbände. So untersagen die Vorschriften z. B. jedem
Führungspersonal, gleichzeitig als Datenschutzbeauftragter tätig zu sein. Da aber in einem
mittelständischen Produktionsbetrieb nahezu jeder Akademiker Führungsaufgaben übernimmt,
bliebe nur übrig, das Produktionspersonal zu bemühen, sich der komplexen
datenschutzrechtlichen und IT-sicherheitstechnischen Fragen anzunehmen. Ein Vorhaben, das
ersichtlich zum Scheitern verurteilt ist. Während in anderen Ländern die Regierungen ihrer
Wirtschaft mit Förderung und Forschung in der digitalen Transformation zur Seite stehen, ist in
Deutschland die datenschutzrechtliche Kontrolle im Vordergrund, in Schleswig-Holstein durch
das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz.
Ohne die umfangreiche Nutzung von Big Data werden deutsche mittelständische Unternehmen
aber langfristig das Nachsehen haben, weil sie ihre Kunden nicht im selben Umfang auf
Bedürfnisse analysieren können, wie ihre internationalen Mitbewerber.
Während die USA und China ihre Schulen und Universitäten darauf ausgerichtet haben, junge
Menschen mit hoher digitaler Kompetenz auf den zukünftigen Arbeitsmarkt vorzubereiten, sind
bei uns MINT-Fächer und entsprechende Studiengänge immer noch unterrepräsentiert, so dass
vielen mittelständischen Unternehmern das notwendige Personal für eine digitale Transformation
fehlt.
Der CDU-Kreisverband Pinneberg fordert daher das Land auf,
- eine zeitnahe Evaluierung der EU-Datenschutzgrundverordnung durchzuführen,
- die EU-Datenschutzgrundverordnung bis dahin praxisnah auszulegen, ohne weitere Verschärfungen umzusetzen und bei der E-Privacy-Richtlinie keine weiteren Hürden für die Datenverarbeitung zuzulassen,
- zügig das versprochene „Mittelstandszentrum 4.0“ aufzubauen, mit welchem mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung der bürokratischen Datenschutzvorgaben unterstützt, betriebliche Weiter- und Fortbildung organisiert und der Best-Practice-Austausch vorangetrieben werden,
- Selbstregulierungsmaßnahmen für einzelne Branchen oder bestimmte Datenverarbeitungen durch Zertifizierungen zu unterstützen,
- die MINT-Fächer in den Schulen und die entsprechenden Studiengänge zu stärken,
- Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Start-ups, beispielsweise länderübergreifend rund um den European XFEL in Hamburg und Schenefeld.
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